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Ausgabe #9: Mr. Market

The_Scream
The Scream by Edvard Munch (1863 – 1944) (Quelle: commons.wikimedia.org)

 

Seid ihr schon einmal Mr. Market über den Weg gelaufen? Wenn ihr mit diesem Namen noch nichts anfangen könnt, nehme ich euch die Antwort vorweg: Mit Sicherheit!

Solltet ihr jemals mit Aktien gehandelt haben, seid ihr ihm begegnet. Solltet ihr jemals Finanznachrichten gelesen oder gesehen haben, seid ihr ihm begegnet. Solltet ihr in letzter Zeit auch nur irgendetwas über Bitcoins mitbekommen haben, seid ihr ihm auf jeden Fall begegnet. Auch diese Tage ist dieser Herr wieder voll im Einsatz, wenn man sich die neuesten Nachrichten von der „Panik an der Börse“ oder laut Marktbeobachter dem „(…) schwärzesten Tag für die Aktienmärkte seit Jahren“ ansieht. (Vgl. Zeit.de: http://www.zeit.de/wirtschaft/boerse/2018-02/us-boerse-dow-jones-index-absturz)

Bühne frei für eine eurer wichtigsten Bekanntschaften – Mr. Market.

 

Mr. Market stellt sich vor

 

„This imaginery person out there – Mr. Market – he’s kind of a drunken psycho. Some days he gets very enthused, some days he gets very depressed. And when he gets really enthused, you sell to him and if he gets depressed you buy from him.” – Warren Buffett

 

Egal auf welchen Investmentansatz man steht, es ist unbestritten, dass Warren Buffett einer der größten, wenn nicht sogar der größte Investor unserer Zeit ist. Aber was genau machte und macht er anders als andere, um so erfolgreich zu sein? Oft wurde er das schon gefragt und seine Antwort ist simpel und einleuchtend: Rationalität. Er versteht es wohl wie kaum ein anderer seine Gefühle von seinen rationalen Entscheidungen loszukoppeln und genau hier kommt unsere Bekanntschaft Mr. Market ins Spiel.

Man muss sich vor Augen halten, dass sich auf Aktienmärkten hauptsächlich Menschen aufhalten, die von Emotionen und Gefühlen geleitet werden, vor allem kurzfristig. Mr. Market ist eine Parabel eben dieses Marktes und geht auf Benjamin Graham zurück. Man kann sich Mr. Market als euren manisch-depressiven Geschäftspartner vorstellen, der jeden Tag zu euch kommt und bereit ist seine Aktien an euch zu verkaufen oder eure Aktien zu kaufen. Steigen nun die Kurse gehen mit Mr. Market gerne die Pferde durch und er bietet euch viel mehr für eure Aktien als diese eigentlich wert sind. Die letzte Woche bekam Mr. Market richtig Panik und er wollte seine Aktien nur noch loswerden, siehe die Einbrüche des Dow Jones (-8,4%) oder des Dax (-7,4%). Da er eben an Stimmungsschwankungen leidet, ist es nicht vorherzusehen an welchen Tagen er euphorisch ist – wie wahrscheinlich die letzten Jahre – oder wann er depressiv ist. Mr. Market übt dabei auf viele von uns (leider) eine gewisse Faszination aus, da wir Menschen dazu tendieren bestimmten Mustern zu folgen und noch dazu Herdentiere sind. Tim und Charlie liefern hier einen guten Ansatzpunkt. Auch Daniel Kahneman war es, der zusammen mit Amos Tversky herausfand, dass der Schmerz über einen Verlust von uns doppelt so stark gewichtet wird wie ein Gewinn um denselben Betrag. Einfach gesagt heißt das uns schmerzt ein Verlust von 100€ doppelt so sehr, wie ein Gewinn von 100€. (Vgl. Benjamin Graham: Intelligent Investieren: Der Bestseller über die richtige Anlagestrategie) Dies erklärt vielleicht auch wieso viele Leute (und Mr. Market) panisch auf Kursrutsche reagieren.

 

Wie kann ich von Mr. Market profitieren?

 

„Mr. Market is your servant, not your guide.” – Warren Buffett (Vgl. Stig Brodersen, Preston Pysh: Warren Buffett Accounting Book: Reading Financial Statements for Value Investing)

 

Schön und gut, werden jetzt viele denken, aber was genau bringt uns das? Das Gute an Mr. Market ist, dass er überhaupt nicht nachtragend ist, d.h. egal wie oft man ihm die Tür vor der Nase zuhaut, er wird jeden Tag aufs Neue bereitstehen und nennt seinen Preis. Es liegt an jedem Investor selbst mit ihm zu verhandeln oder ihn einfach links liegen zu lassen. Man muss sich stets vor Augen halten, dass die Aktienpreise immer durch Angebot und Nachfrage der jeweiligen Marktteilnehmer zu Stande kommen. Für jeden Käufer gibt es auch einen Verkäufer und umgekehrt. Auch deswegen sieht Warren Buffett das Ganze so: “I never attempt to make money in the stock market. I buy on the assumption that they could close the market the next day and not reopen it for five years.” (Vgl. Suredividend.com: https://www.suredividend.com/warren-buffett-quotes/)

Graham fasste dies folgendermaßen zusammen: „ (… the typical investor) would be better off if his stocks had no market quotation at all, for he would then be spared the mental anguish caused him by other persons’ mistakes of judgement.” (Vgl. Benjamin Graham: Intelligent Investieren: Der Bestseller über die richtige Anlagestrategie)

Ein kleines Gedankenexperiment:

Stellt euch vor ihr habt ein Haus (vielleicht habt ihr ja wirklich Eines). Sagen wir mal ihr habt es für 200.000€ gekauft. Nun klingelt es an der Tür und ein Immobilienmakler sagt euch, dass euer Haus durch allgemeinen Werteverfall auf dem Immobilienmarkt heute leider nur noch 150.000€ wert ist. Würdet ihr dann sofort los spurten und es verkaufen? Mit Sicherheit nicht. Und genauso sollte man auch mit Mr. Market umgehen. Sollte er uns einen guten Preis machen, dann steht es uns frei ihn auszunutzen. Allerdings hat man als Value Investor den inneren Wert der Aktie und des dahinterstehenden Unternehmens berechnet. Warum sollten wir dann darauf eingehen, was andere Leute für einen Preis zahlen? Als Value Investor sollte man sich auch mental darauf einstellen, dass es zu teils heftigen Marktschwankungen kommen kann. Man sollte jedoch niemals aufgrund des Preises gezwungen sein seine Aktien zu verkaufen, nur weil Mr. Market gerade in eine tiefe Depression verfällt. Denn wie schon Warren Buffett anmerkte: „Price is what you pay, Value is what you get.”

 

Gute Neuigkeiten: Panik an den Börsen, die Kurse stürzen ein!

 

„In the short run, the market is a voting machine but in the long run it is a weighing machine.” – Warren Buffett über Benjamin Graham (Vgl. Lawrence A. Cunningham: The Essays of Warren Buffett: Lessons for Investors and Managers)

 

Aber drehen wir den Spieß doch einfach mal um. Einen meiner Meinung nach grandiosen Denkanstoß liefert der Kommentar zum Buch „Intelligent Investieren: Der Bestseller über die richtige Anlagestrategie“. Stellt euch vor anstatt der üblichen Nachrichtensender gäbe es Benjamin Graham TV. Auf diesem Sender geht es nicht um Experteneinschätzungen, welche andauernd ihren Senf dazugeben und die Zukunft vorhersagen wollen. Stattdessen wird der Kurssturz angepriesen mit: „SALE! Alles muss raus! 40% Rabatt!“. Daraufhin kommentiert ein Beobachter: „Die Märkte sind gestern um 10% eingebrochen, aber wir rechnen damit, dass heute weitere 5% folgen, das macht die Aktien noch günstiger, man kann auf Shoppingtour gehen!“ Die Analysten auf Benjamin Graham TV sind optimistisch, dass der Bärenmarkt noch lange Zeit anhalten wird und damit die Kurse weiterhin einbrechen. Der Schlusskommentar des Nachrichtensprechers lautet: „Weiterhin fallende Kurse wären fabelhafte Neuigkeiten für jeden Investor mit einem langen Anlagehorizont. Mr. Market wirft mit Schnäppchenpreisen nur so um sich.“

Wir könnten gut mit so einer Ansage leben. Wie ihr sehen könnt, ist Mr. Market gar kein so übler ein übler Zeitgenosse, wenn man weiß, wie man mit ihm umspringen muss. Wir finden diese Parabel über Mr. Market sehr wichtig und halten deswegen nicht viel von vollständig effizienten Märkten. Unseren Kommentar hierzu könnt ihr auf Investorenausbildung.de gerne lesen:  Effiziente Märkte vs. Mr. Market

Was sind eure Erfahrungen mit Mr. Market? Seid ihr schon in die Situation gekommen um mit ihm zu verhandeln? Schreibt uns eure Meinung, wir sind für jeden Dialog offen! 🙂

 

Abschließend wünsche ich euch wie immer noch einen schönen Tag und viel Spaß und Erfolg beim Investieren! ?

 

Eurer freundlicher Value Investor aus der bayrischen Nachbarschaft

 

Andreas

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