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Gaststar-Special-August 2020 #9: Investieren in Zeiten von Corona (von Michael Kissig, iNTELLiGENT iNVESTiEREN)

Servus miteinander,

der August ist nun nun fast vorbei. Zum Schluss dürfen wir euch noch einmal ein Highlight präsentieren. Wie auch im letzten Jahr beenden wir das Gaststar-Special mit dem Gewinner des valueDACH Value Investing Blogpreises 2018.

Natürlich sprechen wir von dem einzig wahren


Michael Kissig von iNTELLiGENT iNVESTiEREN


[Viel Spaß beim Lesen wünschen euch Andi & Dani!]

Die Corona-Pandemie mit ihren Einschränkungen und Auswirkungen ist einmalig. Der Corona-Crash an den Aktienmärkten war allerdings alles andere als einzigartig, es war ein ganz normaler Crash. Sicher, er ging schneller vonstatten als jemals ein Crash zuvor, und die Erholung der Aktienindizes erfolgte ebenfalls schneller als es früher der Fall gewesen ist. Aber im Grunde gab es nichts viel Neues zu entdecken.

Diese Einschätzung werden nicht alle mit mir teilen. Vor allem nicht diejenigen, für die es der erste Aktiencrash ist. Nun, ich habe schon eine ganze Reihe von Crashs mitgemacht, auch wenn der eine oder andere von diesen inzwischen nur noch als Korrektur eingestuft wird, weil er nicht schlimm genug war. Für mich als Aktienanleger haben sich diese „Korrekturen“ jedenfalls crashig genug angefühlt und es ist auch völlig unerheblich, ob der Einbruch am Ende 25% oder 40% betrug! Der Kursabsturz geht jedes Mal mit einer starken emotionalen Belastung einher, mit Verunsicherung und großen Zukunftsängsten. Der Versuch, mit rationalen Überlegungen und Berechnung des fairen Werts günstige Aktien herauszupicken, scheitert in Crashphasen stets, weil in ihnen die Verkäuferseite nicht rational agiert, sondern maximal kopflos. Panik regiert und jede Aktie wird billigst aus dem Depot geworfen, Schrott, Mitläufer, aber auch Qualitätsunternehmen.

Meine „Börsenkarriere“ begann 1987. Am 19. Oktober gab es einen großen Markteinbruch in den USA, den „schwarzen Montag“. Bis heute folgten starke Panikattacken auf den Irak-Einmarsch in Kuwait, die Gorbatschow-Krise, die Pfund-Krise, die Asien-Krise, das Platzen der Internetblase, die Terroranschläge vom 11. September, die Finanzkrise, den Markteinbruch Ende 2018 und nun die Corona-Krise.

Vermutlich habe ich in diesen 33 Jahren nicht alle Fehler gemacht, die man in solchen Marktcrashs machen kann, aber wohl doch die meisten. Und die Mehrzahl von ihnen in meinen früheren Jahren. Ich schreibe das mal dem Lerneffekt zu und es ist auch finanziell eine positive Entwicklung. Denn früher hatte ich weniger Investitionskapital zur Verfügung, so dass mich meine Fehlentscheidungen unterm Strich weniger gekostet haben, als würde ich heute kolossale Dummheiten damit anstellen.

Während die Crashs über die Jahre hinweg unterschiedliche Auslöser hatten, folgen sie doch einem bestimmten Muster. Damit relativiert sich ihre Gefahr, jedenfalls in der subjektiven Wahrnehmung und in eigenen Umgang mit ihnen.

Ich habe in meinen ersten Börsencrashs den weit verbreiteten Fehler gemacht, Aktien für günstig bewertet zu halten, weil sie viel tiefer standen als vor dem Crash. Klar, die Kurse standen tiefer, aber die ursprünglichen Vor-Crash-Annahmen waren auch nicht mehr viel wert. Der jeweilige Auslöser für den Crash ändert auch jedes Mal die Rahmenbedingungen, in denen sich die Unternehmen künftig bewegen, und deshalb waren neue Überlegungen zu ihrer Zukunft nötig – und damit auch eine Neubewertung.

Der dumme Vergleich mit dem Vor-Crash-Kurs ist ein willkürlicher gesetzter Anker und dieser Ankereffekt kostet Anleger viel Geld. Der beliebteste Anker ist dabei der eigene Einstandskurs und es ist auch einer der sinnlosesten. Denn niemanden auf der Welt interessiert, ob Musteranleger die Aktie bei 15 oder bei 25 Euro gekauft haben. Weshalb sollte dieser Kurs also für Musteranleger eine Bedeutung haben bei der Frage, ob die betreffende Aktie heute als aussichtsreiches Investment einzustufen ist oder als potenzieller Flop?

Aber ich habe dazugelernt, solche Fehler mache ich nicht mehr. Ich habe neue Möglichkeiten gefunden, ordentlich Geld zu versenken. Die Gelegenheiten, Dummheiten zu machen, gehen einem nämlich nie aus. Was aber kein Grund ist, erkannte Fehler nicht abzustellen.

Meine Erkenntnis aus früheren Crashs ist, dass sich die jeweilige Situation immer wie das Ende der bekannten Welt anfühlt. Und nach einiger Zeit fand sich immer ein Weg, wie es weiterging. Das Katastrophenszenario ist nie eingetreten. Wir Menschen passen uns an. Das ist unsere Natur, das ist unsere Stärke.

In der Corona-Krise habe ich nicht viele neue Erkenntnisse gewonnen. Das liegt nicht etwa daran, dass ich schon alles weiß und alles erlebt habe, sondern einfach daran, dass der starke Markteinbruch Ende 2018 noch nicht lange zurückliegt. Und damals habe ich neue Erfahrungen gemacht, die mich die Corona-Krise eher entspannt angehen ließen.

Ich kann gar nicht mehr genau sagen, was der Grund für den 2018er Markteinbruch gewesen ist. Vielleicht die Angst vor einem US-China-Handelskrieg? Ist auch egal. Ich habe in jenem Börsenzusammenbruch das erste Mal in meinem Börsenleben zwei neue Aspekte gelebt.

Als erstes habe ich mir die Unternehmen angesehen, die ich im Depot hatte, und alles aussortiert, was nicht einem Quality Investment entsprach – also einen breiten ökonomischen Burggraben, eine solide Bilanz mit niedrigem Verschuldungsgrad, eine starke Liquiditätsposition und starke, wenig risikobehaftete Cashflows aufwies.

Diese Qualitätsunternehmen stehen einen Börsen- und Konjunktureinbruch relativ schadlos durch und deshalb ist hier mein Geld gut investiert. Bei meiner Überprüfung stellte ich fest, dass meine Depotschwergewichte und der Großteil meines Kapitals ohnehin in solchen Werten steckte, und das war zusätzlich beruhigend.

Der zweite Aspekt war, dass ich mir den Wert angesehen habe, den mein Depot nach dem Einbruch noch ausmachte. Das war natürlich viel weniger als vor dem Crash. Aber ich habe den aktuellen Betrag nicht etwa mit dem Vor-Crash-Wert verglichen, sondern bin in der Zeit soweit zurückgegangen, bis ich wieder bei diesem Stand angelangt war. Zwischen beiden Daten lagen etwa 14 Monate. Ich habe in wenigen Wochen den Zuwachs von 14 Monaten verloren. Aber darum ging es mir nicht, das war irrelevant. Ich habe mich an diese Zeit erinnert und überlegt, wie ich mich damals gefühlt habe. War ich in Panik und verunsichert, hatte ich Existenzängste? Nun, ich stellte fest, dass ich mich „damals“ Mitte 2017 finanziell frei fühlte und froh war, nie wieder für Geld arbeiten zu müssen. Ha! Weshalb sollte ich mich also 14 Monate später schlecht fühlen und Zukunftsängste haben, wo mein Vermögen doch auf dem exakt gleichen Wert lag?

Der Standpunkt bestimmt die Perspektive“, sagte Karl Marx. Und ich habe mit meiner Betrachtung meinen Standpunkt verschoben und damit den Wert meines Portfolios in eine andere Perspektive. Die vorherigen Kursverluste haben ihre Relevanz verloren und ich meine Gelassenheit wiedergefunden.

Und genauso lief es im sechswöchigen Crash im Frühjahr 2020. Und wem Karl Marx nicht so liegt, dem lege ich hierzu die weisen Worte von Captain Jack Sparrow ans Herz: „Das Problem ist nicht das Problem. Das Problem ist Deine Einstellung und wie Du das Problem angehst“.


Meine Corona-Käufe und Verkäufe

Ich habe im Februar und März alle Werte aussortiert, die unter Corona stark und längerfristig leiden werden. Stattdessen habe ich die mittel- und langfristigen Corona-Profiteure aufgestockt: Adobe, Amazon, American Tower, Microsoft, PayPal. Zusätzlich Corona-resistente Nebenwerte wie SBF und Funkwerk.

Besonders hervorheben möchte ich allerdings Hypoport – nicht weil ich beim Timing ein gutes Händchen bewiesen habe und der Kurs sich toll erholt hat und sogar schon mehrfach neue Höchstkurse markieren konnte. Sondern weil Hypoport inzwischen mein größter Depotwert ist und obwohl der Kurs seit meinem Einstieg vor vier Jahren bereits um 650 Prozent zugelegt hat, steht Hypoport noch nicht einmal am Ende seines Anfangs. Und genau das war auch der Grund, weshalb ich im Corona-Absturz bei Hypoport noch einmal so beherzt zugegriffen habe. Nicht, weil der Kurs um 45 Prozent eingebrochen war, sondern weil ich eine der aussichtsreichsten deutschen Unternehmen so günstig kaufen konnte.

Hypoport notiert im SDAX und bringt mal gerade 2,75 Milliarden Euro Börsenkapitalisierung auf die Waage – ein Nebenwert, aber was für einer. Das Unternehmen betreibt für Banken und Sparkassen Business-to-Business-Plattformen zur Vermittlung von Immobilienkrediten. Es richtet sich nur mit seiner Tochter Dr. Klein an den Endkunden, ansonsten betreibt Hypoport ein reines B2B-Geschäft.

Der Schwerpunkt liegt ganz klar auf Immobilienfinanzierungen, es werden allerdings auch Bausparverträge und Konsumentenkredite über die Plattformen vermittelt. Dabei ist man kein Konkurrent von Check24, wo Kunden sich ihre Finanzierung zusammenbasteln und Anbieter vergleichen. Die Kunden von Hypoport sind die Banken. Der Kunde geht zur Sparkasse A und möchte eine Immobilie finanzieren oder seien Finanzierung verlängern. Die Sparkasse macht ihm ein Angebot – anders als früher geht der Kunde nun aber nicht zu vier weiteren Banken, um zu vergleichen, sondern die Sparkasse A legt ihm gleich weitere Angebote von Wettbewerbern auf den Tisch. Die holt sie sich über die Hypoport-Plattform. Klar, am liebsten würde die Sparkasse das Geschäft mit dem Kunden selbst abschließen, daran verdient sie am meisten. Die beste Alternative ist allerdings, dass der Kunde woanders unterschreibt und dies über die Sparkasse A vermittelt wird. Dann erhält sie nämlich die Vermittlungsprovision – und hat den Kredit noch nicht einmal selbst in der Bilanz und steht damit nicht im Risiko.

Hypoport betreibt für die Sparkassen (FINMAS) und die Genossenschaftsbanken (GENOPACE) eigene Plattformen. Im ersten Quartal 2020 kam Hypoport beim Neugeschäft bei Immobilienkrediten auf einen bundesweiten Marktanteil von 24,7 Prozent – von allen in Deutschland vermittelten neu abgeschlossenen Immobilienkrediten! Hypoports Marktanteil stieg im ersten Quartal um 5 Prozent an gegenüber Ende 2019 und denkt man an die Kontaktbeschränkungen (in den Banken) ist kaum vorstellbar, dass der Marktanteil im zweiten Quartal nicht nochmals zugelegt haben sollte.

Wenn man nun die Meldungen liest, die Commerzbank wolle hunderte Filialen streichen, die Deutsche Bank ebenfalls und auch die Sparkassen und Genossenschaftsbanken, dann zeigt dies das Potenzial für Hypoport auf. Denn deren Kreditplattformen benötigen keine Bankfiliale, die Bankberater können ihre Kunden auch am Telefon oder online mit Angeboten versorgen und Abschlüsse tätigen. Wie im zweiten Quartal bewiesen wurde, wo die Zahlen weiter in die Höhe schossen. Und dabei können die Banken die hohen Kosten für den Filialbetrieb einsparen und gleichzeitig risikolos ihr Provisionsgeschäft ausbauen.

Das Wachstum für Hypoport ist ungebrochen. Dabei beschränkt man sich noch auf die DACH-Region. Allerdings könnte das Modell auch einfach ins benachbarte europäische Ausland ausgerollt werden; es ist extrem gut skalierbar. Zusätzlich investiert Hypoport seit einigen Jahren massiv in INSURTECH, wo man die gleichen Erfolge in der Versicherungsvermittlung anstrebt. Noch zahlt Hypoport wegen der hohen Anfangsinvestitionen hier drauf, aber wenn die Sparte auch nur ansatzweise so erfolgreich einschlägt wie EUROPACE, dürfte der MDAX nur eine kurze Zwischenstation für „Deutschlands Vorzeige-Fintech“ sein …


Dieser Artikel wurde verfasst von Michael Kissig von iNTELLiGENT iNVESTiEREN.


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