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Ausgabe #66: Tim hat Angst – Fear of Missing Out

(markusspiske , Pixabay, Pixabay Lizenz)



In einem früheren Artikel von Tim & Charlie habe ich euch bereits Näheres über die Verlustaversion erzählt. Hierunter gibt es aber noch eine Wesensart, die uns allen zu eigen ist und für die wir alle anfällig sind. Nur noch kurz das Smartphone checken, ob irgendetwas Neues passiert ist vor dem zu Bett gehen. Man hört von steigenden Bitcoin-Kursen und den vielen Bitcoin-Millionären. Kann ich auf den Zug noch aufspringen? Meine Freunde reden von der einen heißen Aktie, die jetzt dann jederzeit durch die Decke gehen kann. Was haben diese Aussagen alle gemeinsam? Sie lösen etwas in uns aus. Die Angst etwas zu verpassen und ausgegrenzt zu werden. Diese Angst sehen wir uns mal etwas genauer an.


Fear of missing out (FOMO)

Unter Fear of Missing Out (Deutsch: Angst etwas zu verpassen) oder kurz FOMO versteht man „[…] eine Form der gesellschaftlichen Beklemmung/Angst/Besorgnis. Das Phänomen beschreibt die zwanghafte Sorge, eine soziale Interaktion, eine ungewöhnliche Erfahrung oder ein anderes befriedigendes Ereignis zu verpassen und nicht mehr auf dem Laufenden zu bleiben.“ (Vgl. Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Fear_of_missing_out)
Diese Angst ist bei weitem nicht neu und ist evolutionstechnisch tief in uns verankert. In der Steinzeit hatte vielleicht unser Nachbar einen neuen Ort für leckere Beeren gefunden und er und seine Familie haben sich jeden Abend den Bauch vollgeschlagen, während wir hungern mussten. Da wir nicht sein Lieblingsnachbar waren, hat er es zuerst den Feuersteins verraten, die dann auch jeden Abend leckere Beeren aßen, während wir in die Röhre schauten. Wir hatten Angst etwas zu verpassen und diese Angst war berechtigt. Ohne Futter kein Überleben, keine Reproduktion – Ende Gelände.
Unsere DNA ist hiermit schon einmal vorbelastet, aber wieso ist FOMO heute noch viel schlimmer ausgeprägt als in der Steinzeit?

Familie Feuerstein (Quelle: Giphy)

Social Media

Steve Jobs hatte sicherlich nicht die Absicht eine weit verbreitete Angst auszulösen, als er sein revolutionäres iPhone vorstellte. Seitdem ist es uns möglich quasi in Echtzeit alles Mögliche mitzukriegen und ständig und überall vernetzt zu sein. In Zusammenhang mit sozialen Medien hat FOMO es rühmlicher Weise auch in das Oxford Dictionary geschafft als „die Angst, dass derzeit ein spannendes oder interessantes Ereignis an anderer Stelle stattfinden kann, oft geweckt von Beiträgen in den Social Medien.“ (Vgl. WirtschaftsWoche: https://www.wiwo.de/erfolg/fear-of-missing-out-woher-diese-angst-kommt-und-wie-wir-sie-besiegen-koennen/20020716.html)
Die meisten von uns kennen das nur zu gut. Ständig vibriert und blinkt es und wir schauen „nur mal kurz“ aufs Smartphone. Dahinter verbirgt sich oftmals die Angst etwas Wichtiges zu verpassen oder nicht mehr Up-to-Date zu sein. Es ist deswegen nicht verwunderlich, dass Apps zur Entschleunigung oder Blocker für Social-Media-Apps ab einer bestimmten Uhrzeit Hochkonjunktur haben.
FOMO gliedert sich in vier verschiedene Grundmotive bzw. Grundängste:

  • Verlustangst: Wir haben Angst die „Herde“ zu verlieren und ausgeschlossen zu werden.
  • Angst vor Ablehnung: Wir suchen Anerkennung, indem wir Beiträge liken oder so schnell wie möglich auf Neuigkeiten reagieren.
  • Angst vor Schaden: Wir wiegen uns in Sicherheit, indem wir alle neuen Infos kontrollieren wollen.
  • Angst vor Kontrollverlust: Wir meinen, wenn wir regelmäßig das Smartphone kontrollieren geht uns nichts durch die Lappen.

(Vgl. WirtschaftsWoche: https://www.wiwo.de/erfolg/fear-of-missing-out-woher-diese-angst-kommt-und-wie-wir-sie-besiegen-koennen/20020716.html)
Kurz gesagt: Tim hat ganz schön die Hosen voll und Charlie muss ihn erst mühevoll daran erinnern, dass vielleicht doch nicht alles so schlimm ist.

Social Media (Quelle: Giphy)

Börse, Bitcoin & Lotto

Auch an der Börse ist FOMO allgegenwärtig. Vor allem bei steigenden Aktienpreisen hört man die Leute immer lamentieren, dass sie nicht doch noch in Aktie XY eingestiegen sind. Vielleicht hatte der Kollege von der einmaligen Chance berichtet und investiert und man selbst ging leer aus. Das löst eine riesige Angst in uns aus, etwas zu verpassen und vom Rest ausgeschlossen zu werden. Wenn unser Umfeld so viel Kohle mit vermeintlich guten Aktien scheffelt, fühlen wir uns ausgegrenzt.
Ein regelrechtes Paradebeispiel für FOMO war der Bitcoin-Hype von 2017. Dazu haben Dani und ich bereits einen Artikel für Investorenausbildung.de verfasst und auch mal „Experte“ gespielt. Dabei war unsere Meinung, dass der Bitcoin-Hype auch daher rührt, dass viele Menschen sehr gerne sehr schnell reich werden wollen. Andere haben es schließlich vorgemacht, aber bei ganz anderen Vorzeichen und viel früher. Dennoch war die Angst groß etwas zu verpassen.

Bitcoin (Quelle: Giphy)


Ihr kennt sicherlich auch die Tippgemeinschaften, die sich teilweise gründen, um gemeinsam Lotto zu spielen. Oftmals kommen nur ein oder zwei Leute auf diese Idee. Der Rest macht nur mit, weil man nicht riskieren will, dass der Nachbar oder Freund plötzlich Millionär wird und man selbst in die Röhre guckt. Das ist dann auch FOMO par excellence. Damit man FOMO an sich selbst entdecken kann, habe ich für euch ein anschauliches Beispiel mitgebracht:
In Spanien gibt es die Mega-Lotterie „El Gordo“. In dieser werden jährlich hunderte Millionen von Euro verlost. In einem kleinen spanischen Dorf hatte sich eine Tippgemeinschaft gebildet, die die ganze Dorfgemeinschaft umspannte. Bis auf einen, der keine Lust hatte dabei mitzumachen. Ihr könnt sicherlich erraten was passiert ist. Das ganze Dorf sahnte groß ab und Bestand fortan aus Millionären, bis auf den armen Teufel, der nicht mitgemacht hat. Wenn wir uns in seine Situation versetzen, fühlt sich das ziemlich doof an, oder? Rational ist gegen diese Entscheidung nichts einzuwenden, aber das Beispiel dient als gutes Selbstexperiment, wie sich FOMO in Reinform anfühlen könnte. (Vgl. Spiegel Online: https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/rekord-lottogewinn-in-spanischem-dorf-der-mann-ohne-los-a-813613.html)

Alles in allem ist es wie bei allen Biases so, dass wir alle nicht vor ihnen gefeit sind. An der Börse handeln sicherlich viele Menschen oftmals sehr irrational und verlieren viel Geld, weil FOMO am Werk ist. Gibt es ein Patentrezept dagegen? Die Antwort ist ein eindeutiges „Jein“! Wir können uns nicht davon abhalten so zu fühlen wie es in unserem genetischen Code hinterlegt ist. Was wir jedoch tun können ist uns und unsere Handlungen zu hinterfragen um so rational wie möglich zu agieren und Charlie öfter zu Wort kommen zu lassen. Und vielleicht ist das Abschalten des Smartphones am Abend und einmal nicht zu schauen was der Nachbar so besitzt oder macht ab und zu auch gar keine so schlechte Idee. 😉


Was sind eure Erfahrungen mit FOMO? Habt ihr noch andere konkrete Beispiele? Wie versucht ihr mit solchen Denkfehlern beim Investieren oder im täglichen Leben umzugehen? Schreibt mir, kommentiert und diskutiert, auch gerne über Facebook und Instagram! Gerne könnt ihr euch auch unserer Facebook-Gruppe The Value Investing Circle anschließen.
Außerdem könnt ihr hier einen Blick auf unser wikifolio werfen.


Abschließend wünsche ich euch wie immer noch einen schönen Tag und viel Spaß und Erfolg beim Investieren! 😉


Euer freundlicher Value Investor aus der bayrischen Nachbarschaft


Andi

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Comments (2)

Hallo Andi,

kurioserweise schreibe ich gerade fast am gleichen Thema, bin aber noch nicht fertig. Werde dann aber auf dich verlinken.
Auch mich packt die FOMO manchmal.

Für mich ist zum Beispiel wikifolio in diesen Fällen eine tolle Möglichkeit.
Hier kann man alles austesten und sehr leicht den EInsatz begrenzen.

LG,

Tobias

Hallo Tobias,

FOMO ist einfach überall. Ich finde solche Themen wirklich wichtig und wenn du darüber schreibst gibts sicherlich noch viele andere Aspekte. Bin schon gespannt! 🙂

Beste Grüße
Andi

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