Heute möchte ich euch wieder zwei nützliche Werkzeuge mit auf den Weg geben, die euch in Sachen Aktien aber auch im täglichen Leben nützen können. Wie bereits im ersten Artikel zu Mental Models gibt es noch viel mehr Denkmuster da draußen, die man sich durch Training aneignen kann. Der Weg zur Weltklugheit ist lang, also lasst uns keine Zeit verlieren.
Second Order Thinking
Was hat es mit dem „Denken auf dem zweiten Niveau“ auf sich? Ich will zuallererst damit anfangen, wie es aussieht, wenn man kein Second Order Thinking anwendet. Nehmen wir zum Beispiel unsere Bundesregierung. Diese hat sich vor ein paar Jahren entschieden der Türkei Waffen zu liefern, damit diese sich im Syrien-Konflikt verteidigen kann. Doof nur, dass die Türkei eben diese Waffen jetzt benutzt, um gegen die Kurden vorzugehen. Eine meiner Lieblingssendungen fasst das ganz gut so zusammen:
Was unsere Bundesregierung nicht exklusiv macht, sondern weit verbreitet ist, nennt sich First Order Thinking oder „Denken auf dem ersten Niveau“.
Schauen wir uns noch ein paar Beispiele zum First Order Thinking in Zusammenhang mit Investieren an. Das ist nämlich genau das, was die meisten von uns tagtäglich machen. Ein paar Aussagen könnten demnach so aussehen:
„Die Aktie hat ein niedriges KGV, sie muss deswegen unterbewertet sein“
„Die Anzeichen für einen Crash verdichten sich, wir sollten noch mit unseren Investitionen warten bis er nächstes Jahr kommt.“
Wendet man Second Order Thinking an käme man zu folgenden Schlüssen:
„Die Gewinne und Umsätze eines Unternehmens schrumpfen. Es verliert Marktanteile und ist auch nicht mehr so konkurrenzfähig wie früher. Es gibt keine Unterbewertung, sondern das Unternehmen befindet sich auf dem absteigenden Ast.“
„Die Anzeichen für einen Crash verdichten sich zwar, aber das ist seit Jahren so. Ich kann nicht wissen wann er kommt und schlage trotzdem bei einer Gelegenheit zu.“
Also was ist nun Second Order Thinking? Ganz platt gesprochen kann man sagen, dass man nicht gleich mit dem Denken aufhört. Man muss die Konsequenzen seiner eigenen Entscheidungen nachvollziehen und sich darüber Gedanken machen welche anderen Ereignisse davon in Zukunft ebenfalls beeinflusst werden. Auch wenn etwas auf den ersten Blick gut und richtig erscheint, muss es das letzten Endes nicht sein. Man sollte Dinge deshalb zu Ende denken und sich der möglichen Folgen seiner Taten und Schlussfolgerungen bewusst sein. Es gibt ein paar Fragen, die man sich selbst stellen kann, um Second Order Thinking zu etablieren:
1. Fragt euch immer: „Und was passiert dann?“
2. Wie sehen die Konsequenzen meines Handelns in 10 Minuten / 10 Wochen / 10 Jahren aus?
3. Wie wahrscheinlich ist es, dass ich mit meiner Entscheidung richtig liege?
Viele Dinge im Leben sind auf den ersten Blick vielleicht negativ, wenn man aber dranbleibt und weiterdenkt kann aus einem negativen Ergebnis langfristig etwas Positives werden. So verhält es sich auch beim Value Investing. Viele unterbewertete Unternehmen bekommen kurzfristig auf die Fresse, aber langfristig ist es oftmals dann doch die richtige Entscheidung. Kurz gesagt hilft es, wenn man Dinge zu Ende denkt.
Bayesian Updating
Ein weiteres nützliches Mental Model hat den sperrigen Namen Bayesian Updating. Thomas Bayes war ein englischer Mathematiker und Philosoph und nach ihm ist der gleichnamige Satz von Bayes benannt, der in der Wahrscheinlichkeitstheorie eine große Rolle spielt.
Es ist äußerst nützlich in Wahrscheinlichkeiten zu rechnen, um bessere Resultate in allen möglichen Bereichen und natürlich auch beim Investieren zu erzielen. Die Kunst dabei ist den gegebenen Infos bestimmte Wahrscheinlichkeiten beizumessen. Die noch größere Kunst ist allerdings diese Wahrscheinlichkeiten neu zu verteilen, wenn neue Infos dazukommen. Ein Beispiel gefällig?
Stellt euch vor ihr spielt ein Würfelspiel mit eurem Kumpel, mit einem ganz normalen 6-seitigen Würfel. Die Wahrscheinlichkeit eine 6 zu würfeln ist logischerweise 1 aus 6 oder ca. 16%. Stellt euch vor euer Freund würfelt nun, aber versteckt das Ergebnis. Alles was er sagt ist: „Eines kann ich dir verraten, es ist eine gerade Zahl.“ Damit fallen die 1, 3 und 5 aus und die Chance, dass es eine 6 ist steigt auf 33%. Euer Freund gibt euch eine weitere Info: „Es ist auch keine 4.“ Es kann also nur eine 2 oder eine 6 sein und das mit 50% Wahrscheinlichkeit.
Gratulation, das was ihr gerade mitgedacht habt war schon eine Bayessche Analyse. Ihr habt die Wahrscheinlichkeiten verteilt und bei neuen Infos angepasst.
Aber wie genau kann man das jetzt beim Investieren anwenden?
Wir müssen immer gewisse Annahmen treffen wie sich ein Unternehmen in Zukunft entwickelt und das mit limitierten Informationen. Wenn wir beispielsweise eine DCF-Bewertung machen verteilen wir auch Wahrscheinlichkeiten, ob ein Ereignis eintritt oder nicht. Das fängt bei den Gewinnen an und hört beim Geschäftsmodell auf. Die Kunst dabei ist neue Informationen zu bewerten und einzuarbeiten.
Nehmen wir beispielsweise Apple, für uns ein wunderbares Unternehmen mit einzigartigem Geschäftsmodell. Lange Zeit war das iPhone der Kassenschlager schlechthin und für weit über 50% der Umsätze verantwortlich. Das ändert sich im Moment. Wir konnten bisher mit einer hohen Wahrscheinlichkeit sagen, dass das iPhone auch in Zukunft das Zugpferd schlechthin sein wird. Was nun aber passiert ist, dass die Umsätze für das iPhone zurückgehen. Diese neue Info hilft uns dabei einzuschätzen wie es für das Unternehmen vermeintlich in Zukunft weitergeht. Aber das ist noch nicht alles, denn das Geschäftsmodell wandelt sich. Apple wird mehr und mehr zum Service-Anbieter und verkauft in seinem Ökosystem auch immer mehr Dienstleistungen, ist Marktführer im Smartwatch-Markt und beschreitet neues Terrain in Sachen Gesundheit und Streaming. Das sind wieder neue Infos, die eingearbeitet werden müssen und deswegen ist es wichtig sich auch bei seinen Investments stets auf neue Gegebenheiten einzulassen und die Eintrittswahrscheinlichkeiten für die Zukunft zu überprüfen und neu zu verteilen.
Das ist übrigens auch angewandtes Second Order Thinking, viele sehen nur zurückgehende iPhone-Verkäufe und hören zum Denken auf. Ob ich Recht habe, steht natürlich noch in den Sternen. 😉
Diese beiden vorgestellten Mental Models sind weitere mächtige Werkzeuge an der Börse aber natürlich auch im täglichen Leben. Es ist nicht immer einfach sie anzuwenden und manchmal sind sie auf den ersten Blick nicht intuitiv. Dennoch lohnt es sich eine gewisse „mentale Toolbox“ zusammenzustellen.
Was haltet ihr von den beiden Mental Models? Wendet ihr auch bestimmte Denkmuster beim Investieren an? Worüber würdet ihr gerne noch mehr lesen? Schreibt mir, kommentiert und diskutiert, auch gerne über Facebook und Instagram! Gerne könnt ihr euch auch unserer Facebook-Gruppe The Value Investing Circle anschließen.
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Abschließend wünsche ich euch wie immer noch einen schönen Tag und viel Spaß und Erfolg beim Investieren! 😉
Euer freundlicher Value Investor aus der bayrischen Nachbarschaft
Weitere Quellen
Farnam Street: https://fs.blog/2016/04/second-order-thinking/
Farnam Street: https://fs.blog/2018/09/bayes-theorem/