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Gaststar-Special-August 2020 #6: Investieren in Zeiten von Corona (von Benjamin & Philipp von Finanzingenieure)

Servus miteinander,

wir sind nun schon in der zweiten Hälfte des diesjährigen Gaststar-Specials angelegt – wie die Zeit vergeht. Heute dürfen wir euch ein dynamisches Duo präsentieren, welches einen der besten Blogs für Quality Investing betreibt.

Wir sprechen natürlich über


Benni und Philipp von Finanzingenieure


[Viel Spaß beim Lesen wünschen euch Andi & Dani!]

Finanzingenieure_Logo

Benni

Was für eine Zeit… 2019 war eins der besten Börsenjahre dieses Jahrtausends und 2020 knüpfte extrem stark daran an. Am 19. Februar erreichte mein Depot ein Allzeithoch und alle schienen wie im Rausch zu sein. Ab dann ging es etwa einen Monat lang abwärts, um dann wieder in einen krassen Bullenmarkt zu drehen.

Ich bin selbst ein eher geiziger Buy&Hold-Anleger. Mir war die Rally 2019 schon zu heftig abgelaufen, sodass ich 2020 vor dem Crash bis auf meine Sparpläne kein frisches Geld mehr investiert habe.

Als der Crash kam, war ich erstaunlich gelassen. Ich hatte eine Cashquote von 2%. Erst denkt man sowieso noch: „es ist nur ein kurzfristiger Rücksetzer. Die gibt es ja immer wieder.“ Aber die Erholung blieb eben aus.
Am 1. März saß ich im Bus nach München zu meinem Praktikum bei Infineon und meine Verluste (von der Spitze aus gemessen) lagen schon bei über 20.000€. Aber ich schaute auf die Aktienkurse vieler guter Unternehmen und die waren alle immer noch auf Niveaus von Mitte 2019. Mir waren die meisten Aktien ehrlich gesagt immer noch zu teuer. Aber ich schrieb eine Liste, die ich auch auf unserem Blog veröffentlichte, wo ich interessante Aktien und meine „Zielkurse“ sah. Das waren vor allem Aktien, die recht solide sind, aber viel verloren haben. Auf dieser Liste standen Unternehmen wie die Allianz, Hannover Rück, Roper Technologies, Starbucks, Store Capital oder Texas Roadhouse.

Am 16.03.2020 war es dann so weit. In vielen sozialen Medien gab es „Experten“, die den schlimmsten Crash aller Zeiten prophezeiten und vor Nachkäufen warnten, aber ich sah die Chance und packte zu. Mein erster Kauf waren Aktien der Hannover Rück zu je 99,95€ (inkl. Gebühren). Leider kein hoher Betrag, denn ich ließ mich durch die tollen Crashpropheten selbst etwas verunsichern. Das ist auch die erste Lektion, die ich mitgenommen habe: Den Boden kennt niemand und triffst du sowieso nie! Am besten kauft man gestückelt im Crash. Am selben Tag trennte ich mich auch von meinen Take-Two-Aktien, die den Crash fast unbeschadet überstanden haben. Ich war insgesamt schon länger nicht mehr so überzeugt von der Gamingbranche und dieser Crash war die perfekte Gelegenheit, um umzuschichten.

Am nächsten Tag kaufte ich wieder (Texas Roadhouse), die Woche drauf auch wieder (Store Capital und Fresenius) und die Woche drauf wieder (Store Capital und Fresenius). Ich wusste Anfang März, dass dieser Crash eine Gelegenheit ist und deshalb sparte ich in diesem Monat quasi an allem, was Spaß macht, um mehr Geld für Aktien zu haben. Ich habe durch Zufall das meiste Geld vom 16.03. bis 03.04. investiert. Während andere da noch auf die nächsten Tiefs warteten.

Was ich für mich gelernt habe:

  1. Die, die am lautesten schreien (Crashjünger z.B.) haben meistens nicht recht. Ich habe durch viel Glück und mein Festhalten an meiner Strategie (erst bei attraktiven Niveaus kaufen) das Tief dieses Crashs sehr gut mitgenommen. Ich werde beim nächsten Crash sturer sein, ich werde früher kaufen (z.B., wenn der ganze Markt schon 10% gefallen ist) und immer wieder nachlegen. Niemand kennt den Boden. Ich hatte zu 95% nur Glück beim Market Timing. Es hätte anders kommen können. Voll investiert zu sein war 2019 extrem schlau und viele Aktien sind nicht unter die 2019er Niveaus gefallen. Ich werde meine quasi 100%-Aktienquote weiterfahren und nicht Gold, Anleihen oder sonstiges kaufen!
  2. Ich mochte schon vor dem Crash zyklische Aktien nicht so recht. Jetzt mag ich sie noch weniger! Ich bin froh darüber, dass jedes Unternehmen in meinem Depot einen Lockdown überstehen kann. Ich habe mit Wizz Air sogar eine Airline, die mittlerweile wieder bei +/-0 steht. Keine Kapitalerhöhung, keine Staatshilfe. Ich habe das richtige Unternehmen ausgewählt, aber ich werde in Zukunft noch weniger in solche Branchen investieren (außer Booking, die ist jetzt frisch ins Depot gekommen – aber ähnlicher Fall wie Wizz Air).
  3. Wenn das Depot schon länger existiert und man nur „Buchgewinne“ verliert, dann ist das deutlich entspannter als wenn man unter seinen Einstandskurs sinkt! Ich wäre im zweiten Fall definitiv nervöser gewesen. Ich hätte aber nicht anders gehandelt. Anfängern empfehle ich dagegen immer auf die nächsten 20 Jahre zu schauen und im Crash die Sparquote wenn möglich zu erhöhen.

Phillip

Ich kann mich noch gut daran erinnern wie im Januar das mit Corona alles anfing. Zuerst war da irgendwo in China ein Virus in einer Stadt, von der die meisten Leute noch nie etwas gehört hatten. Die ersten Meldungen von Todesfällen schwappten eher nebenbei über meine Nachrichtenapp zu mir rüber. Und dann der Name: Corona? Wie das Bier? Das ganze Thema hatte in erster Linie etwas Lachhaftes und wirkte mit ein paar 100 Infizierten noch nicht bedrohlich. Dann kamen die ersten Fälle außerhalb von China und die Brutstätte Ischgl verteilte das Virus über ganz Europa. Wie schnell sich aber die Haltung gegenüber dem Virus innerhalb weniger Wochen bei der gesamten Bevölkerung veränderte war mehr als erstaunlich.

Und die Börse? Sackte ein. Auch hier kann ich mich gut daran erinnern, wie in den Aktienforen auf Facebook die Menschen panikartig ihre Aktien verkauften und dazu aufriefen es ihnen gleich zu tun. Das ist das Ende. Das ist DER Crash, der schon seit mehr als einem Jahrzehnt aussteht. Man sollte meinen wer nur ein einziges Buch über die Börse gelesen hat, der müsste es besser wissen. Wie war das noch mit Kurseinbrüchen? Zukünftige Crashs sehen wie Bedrohungen aus, vergangene Crashs sehen wie Chancen aus.

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Abbildung 1: S&P500 seit 1928 (in grau Rezessionen), Quelle: macrotrends.net


Weil, wer glaubt schon bei einer Talfahrt an den nächsten Anstieg? Andererseits hat es aber jeder kommen sehen, wenn das Tal überwunden ist. Wer in der ersten Jahreshälfte die Entwicklungen aufmerksam mitverfolgt hat konnte im Schnelldurchlauf einiges über Marktsentiment lernen. Ich wüsste nicht wann es historisch so eine spektakuläre V-förmige Erholung der Aktienkurse gegeben hat. Dieser Verlauf ist genauso einzigartig wie die fundamentalen Hintergründe.

Was habe ich also in dieser Zeit gemacht? Einfach gesagt, ich habe kaum etwas gemacht. Ich habe keine meiner Positionen verkauft und meine Sparpläne einfach weiterlaufen lassen. Ok, die Sparsumme habe ich etwas erhöht. Es ist natürlich ein komisches Gefühl sein Depot Tag für Tag um erhebliche Summen schrumpfen zu sehen und gleichzeitig aber keinen Finger zu rühren, um irgendwie darauf zu reagieren und sein Geld zu schützen. Spannenderweise ist aber genau das solch eine Situation, auf die einen all die guten Bücher über langfristiges Investieren vorbereiten wollen. Nicht mit dem Strom schwimmen und dem Instinkt nachgeben sich von dem Schmerz fallender Kurse zu schützen. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf hatte ich keine großen Probleme damit mein Depot schrumpfen zu sehen. Ich habe mich lieber darauf konzentriert, dass meine Sparpläne alle günstiger ausführen als zuvor – klar aus fundamentalen Gründen aber zum Großteil auch aus emotionaler Preisbildung.

Eine Aktie, die ich so ziemlich im Tief eingekauft habe, war Apple. Darauf lief zwar schon vorher ein Sparplan, aber ich wollte diese Position sowieso stärker ausbauen und habe die Chance genutzt. Nicht etwa, weil ich besondere Vorteile bei Apple durch Corona sehe, sondern weil mir das Unternehmen an sich sehr gut gefällt und ich hier die Chance für einen guten Einstieg sah.

Bis jetzt hat sich meine doch recht langweilige Coronastrategie gut ausgezahlt, ob es kurz- oder mittelfristig dabeibleibt, kann ich nicht sagen. Was ich aber sagen kann ist, dass ich weiterkaufen werde, egal was Corona mit der Börse macht.


Dieser Artikel wurde verfasst von Benjamin & Philipp von Finanzingenieure.


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