Heute blicken wir ins Saarland und sehen uns ein Unternehmen an, das schon seit dem 18. Jahrhundert existiert. Das international bekannte Unternehmen kann auf eine über 270-jährige Unternehmensgeschichte zurückblicken und ist heute an der Börse gelistet. Viele haben den Namen sicherlich schon irgendwo gehört, gelesen oder besitzen davon ein Produkt. Es handelt sich um den Keramikhersteller Villeroy & Boch.
Villeroy & Boch AG – Kurzportrait
Die Villeroy & Boch AG ist ein deutsches Traditionsunternehmen. Die Geschichte reicht zurück bis ins Gründungsjahr 1748. Der international tätige Premium-Keramikhersteller hat seinen Hauptsitz in der Alten Abtei in Mettlach (Saarland), welche bereits 1809 erworben wurde. Heute beschäftigt das Unternehmen, das 1990 an die Börse ging, über 7.500 Mitarbeiter und ist in 125 Ländern der Welt vertreten.
Dabei untergliedert sich der Konzern in zwei Unternehmensbereiche: Bad & Wellness und Tischkultur
Bad & Wellness umfasst keramische Badkollektionen, Badmöbel, Dusch-/Wannen- & Whirlpoolsysteme, Armaturen und keramische Küchenspühlen. Die Kunden sind überwiegend Händler, Architekten und das verarbeitende Handwerk.
Der Unternehmensbereich Tischkultur beinhaltet Geschirr, Gläser, Besteck und Geschenkartikel. Damit beliefert Villeroy & Boch kleine Fachhändler, Warenhausketten und eCommerce-Anbieter. Die Produkte werden aber auch über die eigenen Shops (stationär und online) vertrieben.
Gegensätzliche Entwicklungen und Luxemburg
Erst kürzlich hat das deutsche Keramikunternehmen seinen Zahlen für das Geschäftsjahr 2019 veröffentlicht und diese fielen unterschiedlich aus. Der Umsatz sank um 2,3% auf 833,3 Mio. €. Dabei war die Entwicklung in den beiden Unternehmensbereichen jedoch unterschiedlich. Das größere Segment – Bad & Wellness – erzielte 5,2% weniger an Umsatz als im Vorjahr. Der Unternehmensbereich Tischkultur hingegen erzielte 3,9% mehr Umsatz. Somit ist Bad & Wellness für 66,5% und Tischkultur für 33,2% der Umsätze verantwortlich. Die restlichen 0,3% (2,8 Mio. €) sind den Lizenzvereinbarungen des Zentralbereichs zuzuordnen.
In vielen Regionen verzeichnete Villeroy & Boch Umsatzrückgänge. Vor allem in den Regionen Naher Osten (-21,9% auf 20,5 Mio. €) und China (-5,1% auf 67,1 Mio. €) musste man hohe Umsatzeinbußen hinnehmen. Diese werden vom Management mit Spannungen in diversen Ländern und dem China-USA-Handelskonflikt erklärt.
Aber im Bereich Tischkultur gibt es Positives zu vermelden. So wurde hier die Umsatzsteigerung vor allem durch den eCommerce-Bereich (+16,3%) getrieben. Mittlerweile erzielt man in diesem Segment 19,6% des Umsatzes durch die eCommerce-Aktivitäten des Unternehmens. Auch der Bereich Bad & Wellness entwickelt sich seit dem 4. Quartal wieder positiv.
Werfen wir einen Blick auf die Profitabilität. 2019 erzielte Villeroy & Boch eine passable EBIT-Marge von über 12%. Aber Moment! Es ist doch nicht alles Gold, was glänzt. Das EBIT von Villeroy & Boch im Jahr 2019 beträgt zwar 103,4 Mio. €, aber nur 51,0 Mio. € kommen aus dem operativen Geschäft. Bei den restlichen 52,4 Mio. € handelt es sich um einen Sonderertrag, der primär aus einem Immobilienverkauf in Luxemburg stammt.
Die Überschrift im Konzernfinanzbericht „EBIT mit 103,4 Mio. € um 49,8 Mio. € deutlich über Vorjahr“ ist hier natürlich auch etwas irreführend. Eigentlich hat sich das operative Geschäft von 53,6 Mio. € auf 51,0 Mio. € verschlechtert. Hier sind wir dann bei einer EBIT-Marge von nur noch etwas über 6% – gar nicht mehr so rosig. Bad & Wellness kommt auf eine EBIT-Marge von knapp 8%, Tischkultur schafft nicht einmal 3%. Einen detaillierten Blick auf den Gewinn von 80,4 Mio. € (2019) sparen wir uns an dieser Stelle, da dieses Ergebnis natürlich auch durch den Immobilienverkauf in Luxemburg beeinflusst wird.
Der deutsche Premium-Keramikhersteller stagniert mehr oder weniger seit Jahren und 2019 bildet hier leider auch keine positive Ausnahme – wenn man Luxemburg außen vor lässt.
Wachstum in Sicht?
Wie sagt man heute so schön im Börsenjargon? Die Wachstumsstory ist intakt. Bei Villeroy & Boch stelle ich mir aber folgende Frage: Gibt es überhaupt eine Wachstumsstory?
Werfen wir doch einmal einen Blick auf den Chancenbericht des Unternehmens. Hier werden verschiedene Punkte aufgeführt, die Villeroy & Boch nach eigenen Angaben einen langfristigen Unternehmenserfolg sichern und Wachstumspotentiale bergen.
Keramik-Kompetenz
Die Saarländer berufen sich hier auf ihre Kernkompetenz Keramik, die sie sich in ihrer 270-jährigen Firmenhistorie angeeignet haben. Sie sehen sich mit Produkten wie dem spülrandlosem DirectFlush-WC und der Materialinnovation TitanCeram als Innovationsführer.
Aktuelle gesellschaftliche Trends
Hiermit ist der Unternehmensbereich Tischkultur gemeint. Mit der „To-Go“-Produktserie möchte man von den globalen Trends Nachhaltigkeit und Mobilität profitieren. Die Produkte werden wie folgt beschrieben: „Die Kollektion To Go bietet hochwertiges Porzellan zum Mitnehmen – perfekt für alle, die auch auswärts nicht auf selbst zubereitete Köstlichkeiten, sehr wohl aber auf Plastik, verzichten möchten. Entdecken Sie die To Go Becher und auslaufsicheren Porzellan-Schalen, in denen gesunde Mahlzeiten von morgens bis abends frisch und geschmacksecht bleiben.“ (Vgl. Villeroy & Boch: https://www.villeroy-boch.de/shop/kollektionen/geschirr-kollektionen/alle-kollektionen-von-a-z/to-go.html)
Grob gesagt sind wir hier beim nachhaltigen To-Go-Kaffeebecher.
Wachstumsmärkte
Das Stichwort ist China. Durch die wachsende Mittel- & Oberschicht sehen die Saarländer hier das größte Potential für den Unternehmensbereich Bad & Wellness, aber auch der Bereich Tischkultur soll vom chinesischen Markt profitieren. Daher wurde für beide Bereiche das Distributionsnetzwerk ausgebaut.
Projektgeschäft
Der deutsche Premium-Keramikhersteller zielt hier auf Großaufträge von Hotels, Restaurants, Kreuzfahrtschiffen oder Ähnliches ab von denen sowohl das Segment Bad & Wellness als auch das Segment Tischkultur profitieren soll.
Lizenzpartnerschaften
Die weitere Vergabe von Markenlizenzen stellt eine weitere Chance des Unternehmens dar.
Digitalisierung
Und natürlich darf Digitalisierung nicht fehlen. Welches Unternehmen möchte nicht davon profitieren und neue Ertragsmöglichkeiten erschließen. Hierbei setzt das Unternehmen bspw. verstärkt auf Online-Marketing und Social Media um die Bekanntheit zu steigern. Erste Erfolge konnte man zudem schon im Bereich Tischkultur verzeichnen, da wie bereits erwähnt, die eCommerce-Aktivitäten primär für das Wachstum in 2019 in diesem Segment verantwortlich waren.
Außerdem stehe man vor der größten Übernahme der Unternehmensgeschichte: „Eine Entscheidung über einen möglichen Kauf des Konkurrenten Ideal Standard solle voraussichtlich bis zur Hauptversammlung Ende März (27.3.) fallen, sagte Vorstandschef Frank Göring am Donnerstag in Frankfurt. Preisverhandlungen würden im Moment noch nicht geführt. Aktuell prüfe man die Bücher von Ideal Standard. Villeroy und Boch sei sehr konservativ unterwegs. “Auch wenn wir vom Dorf sind, doof sind wir nicht.” […] Bei einer Übernahme des Konkurrenten würde das Traditionsunternehmen aus dem saarländischen Mettlach seinen Umsatz rein rechnerisch auf mehr als 1,5 Milliarden Euro nahezu verdoppeln.“ (finanzen.net: https://www.finanzen.net/nachricht/aktien/trotz-umsatzrueckgang-villeroy-und-boch-setzt-weniger-um-steigert-gewinn-deutlich-grossuebernahme-entscheidung-bis-ende-maerz-8479238)
Da über die mögliche Übernahme noch nicht entschieden wurde, gehen wir mal von der Ist-Situation aus. Schlussendlich klingt das alles ganz nett, aber eine wirkliche Wachstumsgeschichte kann ich hier nicht erkennen. Die Margen sind nicht überzeugend was nicht auf einen wirklichen Burggraben schließen lässt. Und derzeit fehlt mir persönlich zumindest die Phantasie bei Villeroy & Boch großartige Wachstumspotentiale zu erkennen.
Mit der Übernahme des Konkurrenten Ideal Standard könnte sich die Sache womöglich ändern, aber so ein Unternehmen muss auch erst einmal integriert werden, was wahrscheinlich zusätzlich auf die kaum vorhandenen Margen drücken wird.
Ich finde es toll, dass so ein traditionsreiches Unternehmen aus Deutschland heute an der Börse gelistet ist, aber ich werde wohl in nächster Zeit nicht zu den Aktionären der Saarländer zählen. Dazu überzeugt mich das Unternehmen aktuell zu wenig, aber das ist auch lediglich meine persönliche Einschätzung.
Und jetzt seid ihr wieder gefragt: Wie steht ihr zu Villeroy & Boch? Schätzt ihr die Situation anders ein? Wo seht ihr die Wachstumschancen des Unternehmens? Haut in die Tasten und schreibt uns eure Meinung – gerne auch auf Facebook oder Instagram. Für interessante Diskussionen könnt ihr euch auch unserer Facebook-Gruppe The Value Investing Circle anschließen.
Außerdem könnt ihr hier einen Blick auf unser wikifolio werfen.
Abschließend, wie immer, noch einen schönen Tag und viel Spaß und Erfolg beim Investieren! ?
Euer freundlicher Value Investor aus der bayrischen Nachbarschaft
Weitere Quellen
Villeroy & Boch: https://www.villeroyboch-group.com/de/unternehmen/ueber-uns.html
Villeroy & Boch: https://www.villeroyboch-group.com/de/investor-relations/publikationen/geschaeftsberichte.html
Villeroy & Boch: https://www.villeroyboch-group.com/de/investor-relations/publikationen/praesentationen.html
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