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Ausgabe #35: The Bavarian Definition of Risk

Bild von hugorouffiac (Quelle: Pixabay)

 

Die offiziell anerkannte und allgemein gelehrte Definition von Risiko (im Zusammenhang mit Kapitalmärkten) ist für einen Value Investor ziemlich unbrauchbar.

Aber ich möchte nicht zu viel vorwegnehmen. Fangen wir ganz in Ruhe an. Was ist die offizielle Definition von Risiko?

 

Allgemeine Definition von Risiko am Kapitalmarkt

 

Ganz allgemein kann man Risiko wie folgt definieren:

„Als Risiko im wirtschaftlichen Sinn kann jede mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit verbundene Verlustgefahr bezeichnet werden.“ (Vgl. Wirtschaftslexikon24.com: http://www.wirtschaftslexikon24.com/d/risiko/risiko.htm)

Hier gehe ich auch noch mit. Aber wenn wir uns auf die Kapitalmärkte konzentrieren wird’s etwas „komisch“, da jetzt die Volatilität ins Spiel kommt:

„Die Volatilität ist ein Risikomaß und zeigt die Schwankungsintensität des Preises eines Basiswertes innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Je höher die Volatilität, umso stärker schlägt der Kurs nach oben und unten aus und desto riskanter aber auch chancenreicher ist eine Investition in das Basisobjekt.“ (Vgl. boerse.ARD.de: https://boerse.ard.de/boersenwissen/boersenlexikon/volatilitaet-100.html)

Und hier hört es dann mit meiner Fantasie auf. Risiko wird mehr oder weniger mit Volatilität gleichgesetzt. Je volatiler die Aktie, sprich je mehr der Aktienkurs schwankt, desto riskanter soll die Aktie bzw. eine Investition in das Unternehmen sein. Und somit könnte man das Risiko jeder Aktie mit Hilfe des Betafaktors errechnen und viele Formeln, die auch ich an der Uni gelernt habe, würden auf dem Papier wunderbar Sinn ergeben (und die Realität kaum widerspiegeln, aber die Realität interessiert doch auch niemanden).

 

Probleme bei der allgemeinen Definition

 

Zunächst einmal würde die Volatilität als Risikomaß nur Sinn ergeben, wenn die Kapitalmärkte vollkommen effizient wären, d.h. zu jedem Zeitpunkt alle Informationen in den Aktienkursen enthalten wären. Wenn das stimmen würde, würde aber auch der komplette Value Investing Ansatz nicht funktionieren und Warren Buffett wäre nicht der drittreichste Mensch der Welt. Ich möchte mich nun nicht zu lange mit den effizienten Kapitalmärkten aufhalten, da die Akzeptanz dieser Theorie in der öffentlichen Wahrnehmung mittlerweile langsam schwindet und das aus gutem Grund. Zum einen ignorieren die Anhänger von Fama’s Markteffizienzhypothese die Irrationalität des Menschen (Beispiel: Dotcom-Blase) und gehen somit von einem komplett rationalen Homo oeconomicus (der immer rational und lediglich wirtschaftlich denkende Mensch – eine der meiner Meinung nach unrealistischsten Annahmen, die man je treffen konnte) aus. Gott sei Dank steht die Annahme des Homo oeconomicus auch schon länger in der Kritik. Zum anderen haben aber auch Wirtschaftswissenschaftler wie Grossman und Stiglitz mit ihrem Modell zur Unmöglichkeit informationseffizienter Kapitalmärkte bewiesen, dass effiziente Kapitalmärkte in Realität keinen Sinn ergeben.

„„Die etablierte Wirtschafts- und Kapitalmarkttheorie geht von effizienten Märkten aus. Das entspricht aber nicht der Realität“, so Rapp. Verantwortlich seien vielfältige Anomalien im menschlichen Informations- und Entscheidungsverhalten. Auch Nobelpreisträger Richard Thaler fordert, dass wirtschaftliche Modelle das Verhalten der Marktakteure berücksichtigen müssen, was eine zentrale Grundlage der „Behavorial Finance“ darstellt.“ (Vgl. Institutional Money: https://www.institutional-money.com/news/maerkte/headline/wirtschaftsforschung-der-homo-oeconomicus-hat-endgueltig-ausgedient-137813/)

Somit können wir nun auch zurück zum Thema kommen und Folgendes festhalten: Wenn die Marktakteure nicht rational handeln und die Kapitalmärkte nicht vollkommen effizient sind, kann der Kurs nicht alle Informationen über das Unternehmen enthalten und die Volatilität als Risikomaß ist schlussendlich – Wie ist gleich nochmal der fachlich und bayrisch korrekte Ausdruck? … Ach ja – a Schmarrn!

 

Wie sieht die Realität aus?

Wir haben ein gutes Unternehmen (ist jetzt einfach mal ne Annahme), also ein Unternehmen in das wir gerne investieren möchten, weil das Geschäftsmodell gut ist, das Management es draufhat und sich das auch alles in den Zahlen der Bilanz wiederfinden lässt.

ABER: Die Aktie ist extrem volatil!

Kermit (Quelle: Tenor)

Laut vorherrschender Theorie wäre diese Aktie extrem riskant. Als Value Investor würde ich aber sagen: Klasse! Ein tolles Unternehmen und die Aktie schwankt auch noch stark, sodass es immer wieder Möglichkeiten zum Nachkauf gibt. Gibt’s nicht? Seht euch doch mal Bakkafrost in den letzten 3 Jahren an. In diesem Zeitraum erinnert der Kurs schon leicht an die bayrischen Alpen – auf und nieder, immer wieder. Und ich freue mich schon auf den nächsten Einbruch um natürlich noch ein paar Aktien nachkaufen zu können.

 

Wann macht Volatilität aber trotzdem Sinn?

 

Wir versuchen immer alles nicht nur schwarz und weiß zu sehen. Es gibt durchaus Strategien bei denen die Volatilität als Risikomaß Sinn macht. Das ist bei kurzfristigen Strategien der Fall. Für Marktteilnehmer, die im Extremfall ein und dieselbe Aktie zwei- oder dreimal am Tag kaufen und wieder verkaufen, ist die Volatilität des Aktienkurses ein reelles Risiko.

Verfolgt man jedoch, wie wir bei Bavarian Value, eine Strategie mit einem langfristigen Anlagehorizont, dann macht Volatilität als Risikomaß keinen Sinn. Wir können kurzfristige und auch immer wiederkehrende Kursschwankungen einfach aussitzen oder auch zum Nachkauf nutzen.

 

Was ist nun die bayrische Definition von Risiko am Kapitalmarkt?

 

Für mich (und ich glaube hier kann ich auch für Andi sprechen) ist das Risiko am Kapitalmarkt schlicht und ergreifend die Möglichkeit des nachhaltigen Verlustes von Geld. Somit kommt hier die „Bavarian Definition of Risk“:

 

Das Risiko am Kapitalmarkt ist die Möglichkeit eines (Total-)Verlustes bei einer Investition.

 

Kann man das Risiko messen? Ich denke nicht bzw. wüsste nicht wie. Aber ich bin der Meinung, dass man es trotzdem reduzieren kann. Man kann das Risiko einen Verlust zu erleiden z.B. dadurch reduzieren, dass man die Unternehmen sehr genau analysiert. Je genauer man ein Unternehmen analysiert hat, desto weniger riskant ist wahrscheinlich eine Investition. Das Risiko der Investition sinkt natürlich auch je geringer der Preis der Aktie bzw. je höher die Sicherheitsmarge (dafür ist sie ja da) ist.

 

Abschließend noch eine paar Zitate von bekannten Value Investoren zum Thema Risiko & Volatilität:

 

“Risk comes from not knowing what you are doing.” – Warren Buffett

“This great emphasis on volatility in corporate finance we regard as nonsense.” – Charlie Munger

“Volatility is our friend. Volatility has nothing to do with risk.” – Mohnish Pabrai

“Investors should treat volatility as a friend. High volatility permits an investor to purchase stocks that are particularly depressed and to sell stocks when they are selling at particularly high prices. The greater the volatility, the greater the opportunity to purchase stocks at very low prices and then sell stocks at very high prices.” – Ed Wachenheim (Greenhaven Associates)

“We think short-term volatility should often be viewed as an opportunity to the long-term investor who seeks enduring businesses at reasonable prices.” – Christopher Begg (East Coast Asset Management)

“I have never thought of volatility as a measure of risk.  The investment business tends to think there is some correlation between volatility and risk and I don’t think that is true.  We are not concerned with price fluctuations and to the extent that the price drops, we can take advantage of that and can buy more of the same thing.” – Mohnish Pabrai

 

In diesem Sinne:

„Zwo, Eins, Risiko!“ – Darkwing Duck (Quelle: Giphy)

 

Und jetzt seid ihr wieder gefragt: Was ist für euch Risiko? Seht ihr die Volatilität des Aktienkurses als ein Risikomaß oder nicht? Wie geht ihr mit Risiko (am Kapitalmarkt) um? Haut in die Tasten und schreibt uns eure Meinung – gerne auch auf Facebook oder Instagram.

 

Abschließend, wie immer, noch einen schönen Tag und viel Spaß und Erfolg beim Investieren! ?

 

Euer freundlicher Value Investor aus der bayrischen Nachbarschaft

 

Daniel „D!“ Bleicher

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Comments (2)

Gut auf den Punkt gebracht, dieselben Gedanken hatte ich auch immer, als an der Uni Risiko mit Volatilität gleichgesetzt wurde!

Daniel "D!" Bleicher

Vielen Dank für das Feedback!

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