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Ausgabe #53: Tim & Charlie auf hoher See: Der Ankereffekt

(OpenClipart-Vectors, Pixabay, Pixabay Lizenz)

Ahoi, ihr Landratten! Ihr habt schon lange nichts mehr von Tim & Charlie gehört. Deswegen möchte ich euch heute einen Bias näher vorstellen, welcher euch sowohl im täglichen Leben als auch beim Investieren des Öfteren über den Weg läuft: Der Ankereffekt

Deswegen heißts jetzt Leinen los!

Katze
(Quelle: Giphy)

Der Ankereffekt

Der Ankereffekt oder auch Anchoring genannt beschreibt eine kognitive Verzerrung. Laut Definition ist der „Ankereffekt (engl. anchoring effect) […] ein Begriff aus der Kognitionspsychologie für die Tatsache, dass Menschen bei bewusst gewählten Zahlenwerten von momentan vorhandenen Umgebungsinformationen beeinflusst werden, ohne dass ihnen dieser Einfluss bewusst wird. Die Umgebungsinformationen haben Einfluss selbst dann, wenn sie für die Entscheidung eigentlich irrelevant sind. Es handelt sich also um einen Effekt, bei dem sich das Urteil an einem willkürlichen Anker orientiert. Die Folge ist eine systematische Verzerrung in Richtung des Ankers.“ (Vgl. Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Ankereffekt)

Aber werden wir mal lieber konkret und sehen uns an, was das genau bedeutet.


Beispiel 1 – Glücksrad

Die Herren Daniel Kahneman und Amos Tversky führten ein beeindruckendes Experiment durch.

Sie baten Studenten an einem Glücksrad zu drehen, das – vermeintlich – eine Skala von 0 – 100 anzeigen sollte. Allerdings war das Glücksrad so manipuliert, dass das Rad nur bei den Werten 10 oder 65 stehen bleiben würde. Die Studenten wurden gebeten sich ihren Wert aufzuschreiben und danach zwei Fragen zu beantworten.

Frage 1: „Ist de Anteil der afrikanischen Nationen unter den UN Mietglieder höher oder niedriger als die Zahl, welche du gerade eben aufgeschrieben hast?“

Frage 2: Was ist nach deiner Einschätzung der Anteil afrikanischer Nationen in der UN?“

Und jetzt kommt der Hammer:

Die Studenten, welche eine 10 am Glücksrad drehten, schätzten den Wert wesentlich niedriger ein, nämlich auf 25%. Die anderen Studenten, die eine 65 aufgeschrieben hatten, schätzten durchschnittlich 45%.

Ihr seht also, dass ein vorher eigentlich willkürlicher Wert dafür gesorgt hatte, dass man sich bei einer komplett anderen Frage an dem Anker orientiert, obwohl dieser überhaupt nichts mit der Realität gemeinsam hat. (Vgl. singulariteam.com: http://www.singulariteam.com/TheAnchoringEffect.html)


Beispiel 2 – Vor Gericht

Ein weiteres etwas beunruhigendes Beispiel geht so:

Bei einem Experiment wurden deutsche Richter mit mindestens 15 Jahren Berufserfahrung gebeten, sich zuerst die Beschreibung einer Dame durchzulesen, welche beim Ladendiebstahl erwischt wurde. Danach wurden sie gebeten einen 10-seitigen Würfel zu werfen, der allerdings so gezinkt war, dass er nur 3 oder 9 anzeigen sollte. Sobald die Zahl feststand wurden sie gefragt, ob sie die Angeklagte länger oder kürzer als ihre Zahl verurteilten würden, angegeben in Monaten. Danach sollten sie sich auf einen genauen Monatswert festlegen. Das Erschreckende: Diejenigen Richter, die eine 9 würfelten, hätten sie durchschnittlich zu 8 Monaten verurteilt, diejenigen mit einer 3 zu 5 Monaten. Man sieht an diesem Beispiel sehr gut, welch einen großen Effekt irgendwelche zufällig ausgewählten Zahlen auf unseren Entscheidungsprozess haben. (Vgl. Daniel Kahneman: Schnelles Denken, langsames Denken)


Beispiel 3 – Aktienpreise

Ein weiterer gängiger Anker ist augenscheinlich auch der Aktienpreis. Viele Menschen und vor allem Anhänger der technischen Analyse, berufen sich bei ihrer Investmententscheidung auf den aktuellen Preis der Aktien, relativ gesehen zu vergangenen Preisen. Dabei spielt es meiner Meinung nach eine eher untergeordnete Rolle, was der Aktienpreis in der Vergangenheit so getrieben hat. Dennoch nutzen viele Leute den aktuellen Preis als Anker und rechnen sich selbst vor, ob der Preis jetzt zu einem Abschlag zum vorherigen Höchstpreis notiert oder nicht. Dies ist auch eine gängige Methode der „Analysten“ bzw. vieler Investmentmanager. Diese geben ein Kursziel für eine Aktie vor, das beispielsweise 20% über dem heutigen Preis liegt. Viele vertrauen auf diese Analystenschätzungen und haben als Anker dieses Kursziel.

Ein weiterer wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang ist der Einstiegskurs. Diesen verwenden viele als sehr mächtigen Anker. Denn wenn ein Aktienkurs – aus welchen Gründen auch immer – eine lange Zeit im Minus ist, wollen viele „wenigstens noch bei Null rauskommen“, selbst wenn das überhaupt keinen Sinn mehr ergibt. Auch wenn es keine Anhaltspunkte gibt, weil das Unternehmen bspw. fundamental mittlerweile viel zu schlecht ist, halten dennoch viele an diesem Einstandskurs fest.


Was kann man dagegen tun?

Wenn wir beispielsweise drauf und dran sind ein Unternehmen genauer zu analysieren hilft es natürlich ungemein so viele Infos wie möglich zu sammeln. Anfangs hat man immer eine recht subjektive Meinung über ein bestimmtes Thema, welches den anfänglichen Anker darstellt. Je mehr Infos man sammelt, desto objektiver wird die eigene Meinung. Eine Checkliste hilft hierbei natürlich ungemein, um keine wichtigen Punkte zu vergessen und sich vom anfänglichen Anker zu lösen, welchen wir ggf. durch Nachrichten oder Medien verinnerlicht haben. Die Checkliste ist dafür da um Schritt für Schritt alle Punkte so rational wie möglich zu bewerten und die Investmententscheidung nicht aufgrund von äußeren Einflüssen sondern aufgrund rationaler und fundierter Analysen zu treffen. 

In Sachen Einstandspreis ist es wohl das Beste diesen sofort einfach wieder zu vergessen und sich nur am inneren Wert zu orientieren. Der Preis spiegelt nur die Meinung der Marktteilnehmer wider und nicht zwingend den inneren Wert.

Deswegen konzentriere ich mich nicht auf historische Preise als Ausgangspunkt, sondern rechne den inneren Wert für die jeweilige Aktie eines Unternehmens aus. An diesem orientiere ich mich und ob die Aktie jetzt einen negativen oder einen positiven Trend hat ist mir relativ egal.

Auch hilft es Charlie zu bemühen, der uns dabei unterstützt unsere Meinung auf ein rationales Fundament zu stützen, im Gegensatz zum anfänglichen Anker. Wenn wir beispielsweise am Anfang nur den Preis einer Aktie zur Verfügung haben hilft uns das nicht viel weiter. Nimmt man jedoch ein Bewertungsverfahren, wie z.B. ein DCF-Modell, zu Hilfe kann man sich an dem inneren Wert orientieren und sich vom anfänglichen Anker des Preises lösen. Es bleibt festzuhalten, dass der Ankereffekt ein mächtiger, allgegenwärtiger Bias ist, vor dem keiner gefeit ist. Wie bei allen anderen Denkfehlern muss man ihn sich jedes Mal bewusst machen und kann dann geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen.

(Quelle: giphy.com)

Nachfolgend findet ihr noch ein Video, bei dem ihr auch noch ein paar zusätzliche Beispiele visuell und akustisch erklärt bekommt:

YouTube

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Critical Thinking – Cognitive Biases: Anchoring (Quelle: YouTube)


Wie geht ihr gegen den Ankereffekt vor? Habt ihr noch mehr anschauliche Beispiele bezüglich des Ankereffekts? Schreibt mir, kommentiert und diskutiert, auch gerne über Facebook und Instagram! Gerne könnt ihr euch auch unserer Facebook-Gruppe The Value Circle anschließen.


Abschließend wünsche ich euch wie immer noch einen schönen Tag und viel Spaß und Erfolg beim Investieren! 😉


Euer freundlicher Value Investor aus der bayrischen Nachbarschaft


Andi

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